Können Sie uns einen kurzen Überblick über die wichtigsten Fortschritte und Erfolge der BBP geben, insbesondere angesichts der Herausforderungen durch den russischen Angriffskrieg?
Als wir 2020 mit unserem Projekt starteten, konnten wir uns nicht vorstellen, dass die Corona-Pandemie, die fast alle unsere Projektaktivitäten in ein Online-Format überführte, nicht das größte Hindernis sein würde, auf das wir stoßen würden. Das Jahr 2022, das durch den brutalen militärischen Angriff Russlands zu einem dramatischen Wendepunkt in der Geschichte der Ukraine wurde, führte zu enormen Herausforderungen im gesamtukrainischen Bildungsbereich: Unterbrechung des Unterrichtsprozesses, massenhafte Zerstörung der Infrastruktur, Sicherheitssituationen wegen Raketenangriffen, Strom- und Heizungsausfälle … und nicht zuletzt emotionale und psychische Erschöpfung von Schülern und pädagogischem Personal. Durch Luftschutzalarme werden auch unsere Projektschulungen immer wieder unterbrochen bzw. pausiert.
Trotz der Belastung und der oft entmutigenden Nachrichten von der Front hat unser Engagement für die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten in der Region nicht nachgelassen: wir unterstützen pädagogisch und didaktisch Lehrkräfte und Ausbilder, führen innovative Lehrmethoden ein, optimieren die Ausbildungsmöglichkeiten durch moderne Ausrüstung, verbessern das Image der Berufsbildung durch Einsetzen von modernen Marketinginstrumente.
In der 1. Projektphase wurden insgesamt 127 Schulungsveranstaltungen durchgeführt (davon 29 technische Vor-Ort-Trainings), die sowohl im Online- als auch im Präsenzformat abgehalten wurden. Die Projektveranstaltungen umfassten eine Vielzahl von Themenfeldern: Umsetzung von Curricula, Kompetenzfeststellung, Digitalisierung und Bildung, Führungskräftetrainings, Existenzgründung, Promotion von Karrierezentren, Soziale Entwicklung von Jugendlichen, AdA-light-Kurs und andere. Im Rahmen des Projekts wurden bereits drei Delegationsreisen nach Deutschland organisiert, Konzeptpapiere entwickelt (Branding-Konzept, Alumni-Konzept, Zusammenarbeits-Strategie für Berufsschulen und Partnerunternehmen, Berufliche Arbeitsmarktintegration von jungen Menschen usw.), werden jährliche Aufnahmekampagnen mit effektiver Radiowerbung begleitet. In den Projektjahren 2020-2023 haben 17 Klassen mit 249 Jugendlichen ihre Ausbildung nach überarbeiteten Curricula begonnen, davon haben 117 Auszubildenden ihre berufliche Qualifizierung erfolgreich abgeschlossen. Als Erfolg werten wir auch die Tatsache, dass 86% von Azubis aus den Projektlassen (101 Personen von allen Absolventen) entweder bereits eine Beschäftigung aufgenommen haben (77) oder ihre Ausbildung für eine höhere Qualifikationsstufe fortsetzen (24), was die Wirksamkeit des Projekts bei der Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt und bei der Förderung des lebenslangen Lernens unterstreicht.
Diese Erfolge sind aber nicht nur Zahlen und Statistiken, sondern Geschichten von Menschen - Lehrern, Ausbildern, Schülern, Eltern -, die sich trotz aller Widrigkeiten für Bildung einsetzen. Sie sind ein Beweis dafür, dass Hoffnung und Fortschritt auch in den dunkelsten Stunden möglich sind. Ich erinnere mich, wie einige unsere Azubis ihre erste betriebliche Ausbildung gerade zum Zeitpunkt des Anfangs des Krieges begonnen haben – und das Schweißen gelernt haben, indem sie Panzersperren (sogenannte Panzerigel) zusammengeschweißt haben. Es bleibt mir in Gedächtnis, wie unsere Partnerunternehmen den Projektberufsschulen geholfen haben, um die Binnenflüchtlinge zu empfangen – über 1500 geflüchtete Ukrainer wurden in unseren Berufsschulen in den ersten Monaten einquartiert. Ich vergesse nie die Gruppe von elf Waisen-Azubis, die nach zweiwöchigem Unterbringen im Keller der völlig zerstörten Berufsschule in Sjewjerodonezk in die Projektregion Ivano-Frankivsk gekommen sind – und wurden da in unsere Projekt-Schweißklasse aufgenommen und beheimatet, bis ihre Schule offiziell in der Westukraine relokated wurde. Ich erinnere mich, wie meine bbw-Kollegen und Projektexperten aus Deutschland eine Privatinitiative für Ukraine-Spendensammlungen gegründet haben - und die angefragten Spendengüter persönlich in die ukrainischen Projektschulen transportiert haben. Das alles war auch unser Projekt – in dem die Partnerschaft durch die Solidarität ergänzt wurde.
Welche spezifischen Maßnahmen und Aktivitäten wurden unternommen, um die dualen Elemente in der beruflichen Bildung an den Partnerberufsschulen zu integrieren?
Natürlich wurden die klassischen Maßnahmen ergriffen: Bedarfe der Unternehmen analysiert, entsprechend das Curriculum überarbeitet, indem die Unterrichtsstunden für die betriebliche Ausbildung im Unternehmen vermehrt wurden. Es war uns jedoch von Anfang an bewusst, dass, um, die dualen Elemente effektiv zu integrieren, eine gute und qualitative Partnerschaft zwischen Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben aufgebaut werden muss. Deswegen haben wir am Anfang des Projekts Umfragen durchgeführt, um festzustellen, wie man die Zusammenarbeit, insbesondere in Bezug auf Organisation und Durchführung der Ausbildung sowie die Abstimmung der Inhalte, verbessern kann. Darüber hinaus führen wir Seminare zur Verbesserung der partnerschaftlichen Kooperation und entwickeln eine umfassende Zusammenarbeits-Strategie für Berufsschulen und Partnerunternehmen. Diese Strategie beschreibt klare Kommunikationswege, definiert gemeinsame Ausbildungsziele usw. Parallel dazu schulen wir Berufsschulmeister und Betriebsausbilder bei gemeinsamen technischen Trainings, damit sie die dualen Ausbildungsanforderungen optimal umsetzen können. Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Modernisierung der Ausbildungsinfrastruktur an den Berufsschulen, um den praktischen Unterricht auf ein hohes Niveau zu bringen. Hierdurch können wir nicht nur die Qualität der Ausbildung verbessern, sondern auch die Motivation der Auszubildenden steigern, da sie in einem modernen, praxisorientierten Umfeld lernen und arbeiten.
Wie haben die lokalen Unternehmen auf das Projekt reagiert und inwiefern hat die Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren zur Projektumsetzung beigetragen?
Die Projektunternehmen (12 – in der 1. Phase und bereits 8 neue in 2024) zeigten von Anfang an eine hohe Identifikation mit dem Projekt. Sie erkannten den Mehrwert der Kooperation, insbesondere im Hinblick auf die Möglichkeit, qualifizierte Fachkräfte auszubilden, die genau den Anforderungen des Marktes entsprechen. Zu Beginn des Projekts haben wir intensive Gespräche mit den Betrieben geführt, um ihre spezifischen Bedürfnisse zu verstehen und sicherzustellen, dass die Ausbildungsinhalte praxisrelevant und auf die betrieblichen Anforderungen abgestimmt sind. Ebenso haben sich im Laufe des Projekts die Beziehungen zu regionalen und zentralen Bildungsbehörden sehr positiv entwickelt. Es wurde eine solide Grundlage für eine verstärkte Zusammenarbeit innerhalb des Projektnetzwerks geschaffen. Die regionalen Bildungsbehörden bekräftigen ihre volle Unterstützung und unterstreichen dessen maßgeblichen Beitrag zur Förderung der beruflichen Bildung in den Projektregionen.
Welche besonderen Herausforderungen müssen Sie und Ihr Team aufgrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Lage in der Ukraine bewältigen und wie meistern Sie diese?
Ja, angesichts der kritischen Kriegssituation zeigte das Projekt die Flexibilität bei der Anpassung seiner Pläne und Aktivitäten. Viele Schulungen konnten nicht wie geplant vor Ort durchgeführt werden, daher haben wir neue Themenkonstellationen entwickelt und eine Reihe von Online-Veranstaltungen neu geplant, die allerdings einen längeren Vorlauf benötigten. Da deutsche Experten derzeit aus Sicherheitsgründen nicht in die Ukraine einreisen dürfen, mussten alternative Lösungen gefunden werden, indem verstärkt lokale Experten eingesetzt wurden. Außerdem wurden einige Präsenzworkshops für die ukrainischen Partner im Rahmen von Delegationsreisen durchgeführt. Eine besondere Herausforderung bei der Organisation der Deutschlandbesuche bestand z.B. darin, dass für männliche Teilnehmer im Alter von 18 bis 60 Jahren Sondergenehmigungen für Auslandsreisen (aufgrund des Kriegszustandes) eingeholt werden mussten, die für das Projekt von den Grenzbehörden nicht immer erteilt wurden. Dadurch konnten mehr Frauen (Lehrerinnen, Meisterinnen, Ausbilderinnen) zu den Fortbildungsprogrammen nach Deutschland eingeladen werden. Gleichzeitig stärkt diese Initiative aber nicht nur die Kompetenzen der teilnehmenden Frauen, sondern trägt auch zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter bei. Nach ihrer Rückkehr geben die Delegationsteilnehmer/innen die in Deutschland gewonnenen Kenntnisse an ihre Arbeitskollegen weiter. Weitere konkrete Hindernisse, wie regelmäßige Stromausfälle aufgrund der Zerstörung der Energieinfrastruktur, konnten wir durch die Anschaffung von Generatoren für Berufsschulen bewältigen. Dadurch ist es möglich geworden, sowohl die theoretischen Online-Schulungen als auch die technischen Trainings für Berufsschulmeister und Betriebsausbilder sowie die praktischen Unterrichtsstunden für Auszubildende mit dem vom Projekt finanzierten Equipment fortzusetzen.
Wie sehen Sie die Zukunft der Zusammenarbeit und welche langfristigen Auswirkungen erwarten Sie auf die berufliche Bildung und die Beschäftigungschancen der Absolventen in den betroffenen Regionen?
Ich denke, dass die erfolgreiche enge Kooperation zwischen den Projektberufsschulen und den Partnerbetrieben zeigt, dass wir gemeinsam in der Lage sind, auch unter schwierigen Bedingungen nachhaltige Fortschritte zu erzielen. In der 2. Projektphase ist es unser Ziel, diese Zusammenarbeit weiter zu vertiefen und die dualisierten Ausbildungsansätze in den Berufsschulen und den Projektregionen fest zu verankern. Das Vertrauen der Unternehmen in das Bildungssystem erhöht die Attraktivität der Region für Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der kriegsbedingten Verlagerung zahlreicher Unternehmen aus den Kampfregionen in die Westukraine wichtig. Langfristig erwartet unser bbw-Team, dass die in unserem Projekt entwickelten und implementierten dualen Ausbildungselemente die berufliche Bildung in der Region auf ein neues Niveau heben werden. Dies wird nicht nur die Qualität der Ausbildung verbessern, sondern auch die Beschäftigungschancen der Absolventen deutlich erhöhen. Die enge Verzahnung von Theorie und Praxis, die direkte Einbindung der Unternehmen in die Ausbildung und die Modernisierung der Lehrinhalte und -infrastruktur werden dazu beitragen, dass die Auszubildenden optimal auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes vorbereitet werden. Ich bin überzeugt, dass solche Projekte wie unseres langfristig zu einer Stärkung der regionalen Wirtschaft führen, denn gut ausgebildete Fachkräfte sind der Schlüssel für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen. Darüber hinaus hoffe ich, dass unser Modell der dualisierten Ausbildung auch in anderen Regionen der Ukraine Anklang findet, als eine der Best Practices für die Weiterentwicklung der beruflichen Bildung im ganzen Land dient und somit einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg leistet.